Raumfahrt ist doof

Wann immer eine Raumfahrtmission mediale Aufmerksamkeit findet, sind ihre Kritiker nicht weit. „Viel zu teuer“, schreien sie. „Was man mit dem Geld alles Gutes hier auf der Erde hätte tun können“. Doch solche Sätze sind nicht nur ziemlich kurzsichtig, sondern ehrlich gesagt, strunzendumm. Ich möchte nicht wissen, wie viele dieser Nörgler anschließend per Navigationssystem mit dem Auto durch die Straßen fahren, täglich das Internet samt Google-Maps benutzen oder vielleicht sogar schon eine Solaranlage auf dem Hausdach ihr Eigen nennen? Unser tägliches Leben ist voll von Erfindungen, die ihre Anfänge in der Raumfahrt genommen haben. Auch der Wetterbericht und, ganz banal den Klettverschluss, haben wir diesem Zweig der Wissenschaft zu verdanken.

Rainer Kurlemann von der Rheinischen Post machte am 22. August den Raumfahrt-Nörgler. „Zweifel an der Mars Mission“ titelt er und bezeichnet die 2,5 Millarden Dollar für das Forschungsprojekt indirekt als rausgeschmissenes Geld. Ihn stören die „banalen“ Erfolgsmeldungen, die die NASA nun beinahe täglich vermeldet.

Die Zusammenfassung der ersten Tage wirkt besonders verstörend. „Der erste Eindruck ist, wie ähnlich der Erde es dort aussieht“, sagte John Grotzinger über den Gale-Krater. Wenn man nicht wüsste, dass der Chef für diese Nasa-Mission Geologe ist, müsste man ihn für verrückt halten. Quelle: Rheinische Post

Was Kurlemann übersieht: Die NASA hat es nicht leicht, überall lauern die Nörgler. Leute, die mit Raumfahrt nichts am Hut haben, obwohl sie ihre Errungenschaften gerne täglich nutzen. Natürlich ist es da im Interesse der Raumfahrtbehörde, jede Neuigkeit „Volkskompatibel“ unter die Leute zu bringen. Wen würde es interessieren, wenn der Geologe über Mineralienzusammensetzungen oder chemische Ablagerungen palavern würde, gespickt mit trockenen Diagrammen und Zahlenkolonnen? Vielleicht ein Wissenschaftsmagazin, aber nicht die Tageszeitung. Außerdem: Der Rover ist gerade erst gelandet. Es dauert eben eine Weile, bis die wissenschaftliche Arbeit losgehen kann. Das war aber schon immer so und ist keine Besonderheit der Curiosity-Mission.

Die NASA weiss, wie sie sich plakativ in Szene setzt. Machen wir uns nichts vor: Nach der Landung des Curiostiy-Rovers berichteten die Medien landauf landab über die Marslandung, als sei es die Erste, die wir menschen jemals vollbracht hätten. Kein Wunder, lieferte die NASA doch bereits im Vorfeld schon aufwändig produzierte Animationen der Landung. Vergessen wir auch nicht, dass der Rover nicht nur deshalb mit unzähligen Kameras ausgestattet ist, damit man besser auf dem Mars manövrieren kann. Natürlich will das Volk Ergebnisse sehen. Da man aber wissenschaftliche Zusammenhänge nicht kapiert, müssen eben bunte Bilder her. Dem Raumfahrtkenner mag soviel Banalität Kopfschmerzen bereiten.

Doch es kommt noch schlimmer: Kurlemann bringt es fertig, die wohl erfolgreichste Marsmission aller Zeiten, die Mission der Zwillingsrover „Sojourner“ und „Opportunity“ in einen Fehlschlag umzudeuten.

Der Roboter darf nicht so enden, wie eines der vier Vorgängerfahrzeuge: „Spirit“, das in fünf Jahren nicht einmal acht Kilometer fahren konnte, dessen Vorderrad lahmte und das schließlich in einer Sanddüne stecken blieb. Und dann machte im kalten Mars-Winter die Batterie schlapp.

Wie meinen? „in fünf Jahren nicht einmal acht Kilometer“, „Batterie machte schlapp“? Da hat man wohl vergessen, dass die beiden Rover niemals dafür konstruiert wurden, ganze fünf Jahre und mehr durchzuhalten. Die gesamte Mission war ursprünglich auf 90 Tage angelegt. Dann aber zeigte sich, dass die Fahrzeuge den widrigen Umständen auf dem Mars mit Temperaturschwankungen von  -100 Grad Celsius und weniger in der Nacht bis knapp über den Gefrierpunkt am Tage durchaus besser zurecht kamen als gedacht. Ich möchte die Autobatterie sehen, die das fünf Jahre am Stück mitmacht.

Außerdem: Diese Rover wurden rein mit Solarenergie angetrieben. Über die  Monate jedoch setzte sich naturgemäß immer mehr Staub auf den Panels ab, so dass die Energieausbeute damit immer knapper wurde. Setzt dann noch er Marswinter mit niedrig stehender Sonne ein, wird es kritisch. Zwischendurch hatten die Forscher mal Glück, und kleinere Stürme pusteten die Solarplatten wieder frei. Doch wenn dann nach ganzen fünf Jahren aktiver Forschung bei arktischen Bedingungen ein hochkomplexes Stück Technik versagt, kann man wohl schwerlich von einem Fehlschlag sprechen.

Ganz ehrlich: Wer es fertig bringt, die menschliche Meisterleistung, ein ferngesteuertes Fahrzeug Millionen Kilometer entfernt auf einem anderen Planeten punktgenau landen zu lassen um dann samt eingebautem Labor jahrelang auf der Oberfläche Forschung durchzuführen, als „Fehlschlag“ umzudeuten, dem ist nicht mehr zu helfen.

Aber vielleicht liegt das auch einfach an der infantilen Berichterstattung der Medien, das die Mars Mission nicht ernst genommen wird: So berichtete sogar die Tagesschau vom ersten Fahr-Funktionstest des Curiosity-Rovers lediglich, dass der Mars-Rover ein Stück vor, ein Stück zurück und sich im Kreis gedreht habe. Hurra. Wahnsinn. Warum dieses auf den ersten Blick doch recht unspektakuläre Manöver überhaupt so wichtig ist, kein Wort davon. Beim Otto-Normal-Menschen muss ja zwangsläufig der Eindruck entstehen, die Wissenschaftler würden da lediglich ihr ferngesteuertes Auto in einem gigantischen Sandkasten einer anderen Welt spazieren fahren.

„Was bringt mir das“ ist immer die erste Frage der Kritiker. Ja, was bringen euch die Milliarden von Dollar, die weltweit für Rüstung und Kriegsführung ausgegeben werden? Was bringen euch wahnwitzige Summen zur Rettung von Banken, ohne die wir angeblich nicht überleben würden? Was bringt es, allabendlich geistig vor der Glotze zu verkümmern um sich über ein paar verzweifelte Teenies zu erfreuen, die in unzähligen Castingshows ihre Minute Ruhm erheischen wollen? Man braucht sich nur alljährlich das Schwarzbuch des Steuerzahlerbundes durchzulesen um zu sehen, wo wirklich Geld zum Fenster herausgeworfen wird. Die Raumfahrt ist dabei sicherlich nicht mit grandiosen Budgets gesegnet.

 

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