Die Kinderschänder-Trumpfkarte

Da geht man einem sonnigen Samstag beschwingt durch die Fußgängerzone, schon springt von der Seite jemand mit einem Bilderbuch herbei und sagt „Sie finden Tierquälerei doch auch schlimm, oder?“ Den meisten wird hier nur ein „Ja, äh, natürlich“ rausrutschen. BÄMM. Schon hat die Konversationsfalle zugeschlagen. Es werden Bilder von armen kleinen Kreaturen gezeigt. In Käfigen gehalten. Misshandelt. Irgendwo in Rumänien oder sonst einem fernen Ostblockland. Schnell. Jetzt spenden. Nicht erst lange überlegen. Hier muss geholfen werden! Zuhause angekommen beschleicht einen dann so ein komisches Gefühl. Wem habe ich da gerade eigentlich meine Kontonummer samt Erlaubnis gegeben, jedes Jahr 60 Euro abzubuchen? Richtig: Trickbetrügern! Genau so funktionieren auch die Taschenspielertricks der Politik: Ein umstrittenes Vorhaben braucht Zustimmung? Schnell heißt es: „Sie finden Kinderschänder doch auch schlimm, oder?“ Wer mag jetzt noch widersprechen.

Wir erinnern uns:

  • Vorratsdatenspeicherung?
    Damit kann man Kinderschänder besser fangen.
    Das sagte neben einigen Politikern auch BKA Präsident Jörg Zierke im Jahr 2011.
  • Internet-Sperren?
    Damit kann man Kinderschänder besser von ihren Taten abhalten.
    Damit drängte die damalige Familienminsterin Ursula von der Leyen 2009 sogar einige Internetprovider dazu, einen Vertrag für die Errichtung von Websperren zu unterzeichnen. Welcher Provider würde sich schon offen dagegen aussprechen und einen medialen Shitstorm zum Beispiel über die BILD-Zeitung risikieren wollen? Von der Leyen schreckt sogar nicht davor zurück, den 20 Prozent der Leute, die technisch versiert genug sind, die recht wirkungslose Websperre zu umgehen, selbst Pädophilie vorzuwerfen.
  • Mautdaten-Erfassung auf deutschen Autobahnen?
    Damit kann man Kriminelle – beispielsweise Kinderschänder, schneller schnappen.
    Gerade diese Woche versuchte es Innenminister Friedrich wieder, musste aber schnell einsehen, dass die aktuelle Stimmung eine solche Forderung nicht zulässt. Vermutlich hat er deshalb die Kinderschänder-Karte noch nicht gezogen und es erstmal bei „Kapitalverbrechen“ belassen. Aber hätte die Debatte länger geköchelt, die Kinderschänder wären genannt worden. Garantiert.

Die Reihe könnte man endlos weiterführen: Handyüberwachung? Damit könnte man Kinderschänder fangen. Videokameras in Städten? Kinderschänder schnappen! Na klar, das nehmen wir doch gerne hin.

Edward Snowden und die Kindschänder

Was hat der NSA Whistleblower mit Kinderschändern zu tun fragen sie sich? Keine Sorge, auch hier findet die Politik einen Weg. Was liegt näher, als dem Flüchtigen die Unterstützung von Pädokriminellen nachzusagen? Ein perfekter Rufmord. Seine Veröffentlichungen seien schuld daran, dass man eventuelle Kinderschänder jetzt nicht mehr erwischen könne. Das behauptet zumindest nun die britische Regierung.

Telegraph: Edward Snowden leaks could help paedophiles escape police, says government
Was denn? Der Snowden hat doch tatsächlich die weltweite Jagd der Geheimdienste auf Kinderschänder vereitelt? Warum haben die jetzt nochmal Frau Merkels Handy abgehört?

Aber mal im Ernst: So inflationär wie Kindesmissbrauch als Argument für die Durchsetzung eigener politischen Ziele herhalten muss, grenzt dieses Verhalten schon selbst an Kindesmissbrauch.

 

 

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